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© Stadtarchiv Detmold/Stadtarchiv Bad Oeynhausen

Konflikte der Gründungszeit

Das Verhältnis zwischen Wilhelm Maler und Fritz Ley wird im Laufe der Gründungsjahre zunehmend problematisch. Ein Reizwort in der Korrespondenz zwischen den beiden ist der Begriff "Hochschule". Eine Hochschule – mit einem breiten Spektrum an Disziplinen – ist das, was Ley sich von vornherein vorgestellt hat, während Maler jeglichen Anschein vermeiden muss, eine solche Institution gründen zu wollen. Das erklärt den harschen Tonfall, mit dem Maler Anfang August 1946 an Ley schreibt:

"Ich muß Sie nochmals in aller form und dringlichkeit darauf hinweisen, daß Ihre leichtfertige benutzung des namens =musikhochschule= uns die allergrößten schwierigkeiten machen kann und wird. Mit mühe habe ich nun endlich den namen =akademie= gerettet, das allein hat wieder fast 3 wochen verzögerung gebracht. [Die Hochschule für Musik] Köln tut alles um uns zu schaden … und da können Sie es immer noch nicht begreifen, wie gefährlich diese kolportage ist […]".

Unfreiwillig belegt dieser Brief auch, welche Bedeutung die Person Ley im Gründungsprozess hat: Wäre er nichts als eine Randfigur, hätte man über seine Wortwahl nicht diskutieren müssen. Um so mehr irritiert es, dass Maler selbst dafür sorgt, dass Leys vielfältige Aktivitäten im Vorfeld der Gründung in Vergessenheit geraten. Schon im zitierten Brief vom August 1946 leugnet er Leys Anspruch als Initiator und weist die "vaterschaft der idee an der errichtung des instituts" einzig Münch-Holland zu. In einer Broschüre der Musikakademie aus dem Jahre 1948, in der die Entstehung geschildert wird, taucht Leys Name nicht mehr auf. Dabei bleibt es für fast ein halbes Jahrhundert in den offiziellen Schilderungen der Geschichte Musikakademie bzw. -hochschule. Immer wieder wendet sich Ley – und nach seinem Tod im Jahre 1980 seine enge Freundin Edith Baumann-Müller – an die wechselnden Hochschulleitungen, um darauf hinzuwirken, dass sein Name bei Jubiläumsfeiern und Gedenkschriften erwähnt werde. Jedoch enthält etwa die 1977 erschienene Broschüre Die Gründung der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold von Richard Müller-Dombois, der in dieser Zeit als Referent für den damaligen Direktor der Hochschule, Martin Stephani, tätigwar, lediglich eine einzige Erwähnung des Namens Ley: als "Bad Oeynhauser Rechtsanwal[t]", der den Satzungsentwurf verfasst habe – als hätten ansonsten keinerlei Beziehungen zur Hochschule bestanden. (Müller-Dombois 1977, S. 33)

Diese einseitige Darstellung korrigiert Müller-Dombois selbst in einer weiteren Broschüre aus dem Jahr 1993. Voraus geht eine erneute Intervention Edith Baumann-Müllers beim damaligen Rektor Friedrich-Wilhelm Schnurr. In dieser Broschüre wird erstmals der Beitrag Leys zur Errichtung der Akademie gewürdigt. Überdies wird in der Hochschule eine Bildergalerie mit Porträts der Gründungspersönlichkeiten eingerichtet, in der – neben Maler, Münch-Holland und anderen – auch Ley berücksichtigt ist.


Politische Hintergründe

Der Konflikt zwischen Maler und Ley hat auch eine politische Seite, die in die Zeit der Naziherrschaft zurückverweist. Hier standen die späteren Konfliktparteien auf gegensätzlichen Seiten. Franz Ley war als "Halbjude" Verfolgungen durch die Gestapo ausgesetzt; ohne die Unterstützung durch die Familie Müller-Temde hätte er womöglich nicht überlebt. Münch-Holland und Maler hingegen waren Parteigenossen und hatten in der NS-Zeit ansehnliche Karrieren gemacht.

Wie viele überlebende Opfer des NS-Regimes wird Ley nach Kriegsende zu einer beliebten Adresse für Menschen, die dem NS-Regime nahegestanden hatten. Denn entlastende Aussagen von Opfern – im Jargon der Zeit: "Persilscheine" – sind nötig, um aus den Entnazifizierungsverfahren als "unbelastet" oder "minderbelastet" hervorzugehen. Viele Opfer lassen sich zu einer entsprechenden Aussage bewegen – so auch Ley, der positiv auf entsprechende Anfragen von Maler und dessen Frau Juva reagiert.

Auf die Bitte von Hans Münch-Holland um ein Entlastungszeugnis jedoch reagiert Ley mit Ablehnung. Edith Baumann-Müller, seine enge Freundin, erzählt im Interview 2013:

"[Ley] ist da natürlich nach dem Krieg persona grata gewesen für alle Leumundszeugnisse. Und Herr Ley hatte sich geweigert – ich meine, da sag ich jetzt was ganz Persönliches –, Herrn Münch-Holland ’n Zeugnis auszustellen, weil, er sagte, das kann ich nicht. Ich weiß doch, was er vorher für ’ne Rolle gespielt hat, das kann ich nicht verantworten. Und das hat Herr Münch-Holland ihm übel genommen, und von da an hat Herr Münch-Holland hier also versucht, die Beziehungen zu Ley abzubrechen." (Interview Edith Baumann-Müller mit Rebecca Grotjahn, Dezember 2013)

Ob dies allein der Grund dafür ist, dass Ley aus dem Gedächtnis der Hochschule herausgedrängt wird, oder auch die Tatsache eine Rolle spielt, dass Maler seit seiner vollständigen Rehabilitierung durch den Entnazifizierungsausschuss im Herbst 1947 die Unterstützung durch Ley nicht mehr nötig hatte, bleibe dahingestellt.