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Foto © HfM Detmold/Plettenberg

Erinnerungen von Gunhild Münch-Holland

"Nach bestandenem Abitur begann Anfang 1944 mein Musikstudium am Mozarteum in Salzburg. Im Herbst 1944 wurde dieses schnell durch Hitlers „totalen Krieg“ wieder beendet. Die Hochschule Weimar bot mir Gelegenheit, als „Examenssemester“ dort bis Kriegsende 8. Mai weiterzustudieren. Dann begann die Rückwanderung zum Elternhaus in Düsseldorf im Juli 1945. Was nun?

In Musikkreisen hörte man von Cellokursen, die Prof. Hans Münch-Holland im Haus Sauerländer in Detmold-Hiddesen Berufsstudierenden anbot. Er hatte einen Lehrstuhl an der Musikhochschule Köln, der aber mit den schrecklichen Bombenzerstörungen Kölns endete.

Nach einem Briefwechsel bekam ich den ersten Kursustermin Ende September 1945 und dazu eine Reisegenehmigung. In Detmold war für alle Kursteilnehmer für eine Woche das Hotel Herrmann am Kaiser Wilhelm Platz reserviert. Bettwäsche musste mitgebracht werden. Aus Düsseldorf reisten nun drei Cellostudierende nach Detmold. Aber an einem Tag war das Ziel nicht zu erreichen, sodass stets eine Nacht im  Wartesaal in Bielefeld oder Altenbeken dazwischen lagen.  

Die alte Straßenbahn in Detmold (es waren alte Wagen aus Düsseldorf, die ich wiedererkannte) brachte uns nach Hiddesen. Auf dem Weg dorthin sammelten wir Proviant (Mehlprodukte aus der Mittelmühle, Milch vom Schwepperhof Hiddesen und altes Brot von netten Bäckereien. Alle Zutaten wanderten in die Küche im Haus Sauerländer und mittags gab es eine gute Mahlzeit.

Schon den ersten Kurs besuchten elf Studierende aus Westdeutschland, z.T. aus dem Krieg zurückgekehrte Soldaten. Auch eine Engländerin gab es unter den Studierenden. Eine Majorin der englischen Armee aus dem Hauptquartier in Bünde, was für die spätere Gründung der Akademie und die Genehmigung durch die Engländer sehr zum Vorteil wurde.

Für alle begann nun eine unbeschwerte Studienzeit in herrlicher Natur. Vor- und nachmittags gab es Unterricht und dazwischen eine Wanderung in den Teutoburger Wald. Die Abende verbrachten wir im Kino Flohkiste in der langen Straße, schauten sechs mal den gleichen Film  und holten uns  warme Füße fürs ungeheizte Hotelzimmer. Im Laufe der sechs Kurse von September 1945  erhöhte sich die Zahl der Teilnehmer, sodass schon zu Beginn des offiziellen Studiums an der neu gegründeten Akademie zwei Celloklassen gefüllt wurden.

Aus den Gründungsfortschritten nahmen wir heftigen Anteil und besichtigten Gebäude, die evtl. geplant waren, sogar die Jugendherberge oder das Krankenhaus an der Heldmannstraße und Gefängniszellen waren im Gespräch als Übezweck entfremdet zu werden. Aber am Ende stand dann das naturkundliche Museum im wunderschönen Palais zur Verfügung, in dem als letztes Relikt der Elch im Foyer erhalten blieb. Er wurde von Studenten gleich mit einem großen Plakat geziert. „Das Rindvieh gehört nicht zur Akademie.“

 

"Dieses Rindvieh gehört nicht zur Akademie"

 

Eine besondere Leistung war die Beschaffung des Internats für die 72 Neuanfänger im Oktober 1946. An privates Wohnen war damals nicht zu denken. Zur Verfügung standen eine ehemalige Polizeikaserne und dazu das „Krumme Haus“, bestückt mit 3 bis 4-Bett Zimmern. Für die Anfahrt hatte Prof. Münch-Holland einen Bollerwagen organisiert, der das Gepäck der Studenten (Koffer mit Bettwäsche, Teller, Tasse, Klas und Besteck, persönliche Sachen und Instrument) von der Straßenbahnhaltestelle „Obere Mühle“ ins Internat transportieren half.

Leider ging es dem Herbst und Winter zu und das Internat hatte die Heizung noch nicht funktionsfähig gebracht, also Eigeninitiative. Einen kleinen Kanonenofen schenkten uns nette Freunde, aber wir mussten uns ein Ofenrohr und Ofenknie besorgen. Von unser Zimmergenossin bekamen wir als Tauschobjekt bedrucktes Klopapier und so gelang es, den Ofen funktionsfähig zu machen. Holz lieferte der Teutoburger Wald. Zu dritt teilten wir uns die Übezeit und die Internatsstudenten hatten warme Plätze auf unseren Betten zum Nebenfachstudium. Nun begann eine herrlich konzentrierte Studienzeit. Die Akademie erweiterte sich ständig, neue Fachangebote und namhafte Dozenten wurden verpflichtet, sodass der Ruf des kleinen Städtchens Detmold weltbekannt wurde."

Gunhild Münch-Holland hat selbst alle ihre Schwiegerkinder überlebt. Sie ist die 23 Jahre jüngere und dritte Frau unseres Gründervaters Prof. Hans Münch-Holland, lebt in Detmold und spielt noch heute mit 92 Jahren Violoncello im Streichquartett. Heute vermag sie als letzte noch lebende Person originalgetreue Zeitdokumente aus den Anfängen der Entstehung der damaligen Nordwestdeutschen Musikakademie zu liefern.

Passend zur Widereinweihung des Hauses Sauerländer in Detmold Hiddesen, aus dem die Hochschule für Musik Detmold hervorging, baten wir Sie, uns an ihren Erinnerungen teilhaben zu lassen.