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Kurt Thomas, Hans Münch-Holland, Helmut Winschermann bei einer Chorreise auf dem Place de la Burse in Paris 1952 (Foto © Archiv HfM Detmold)

Aus dem Reisetagebuch eines Chormitglieds

Aus den Aufzeichnungen des damaligen Mitgliedes der Detmolder Singakademie e.V., Lothar Gisbert, deren Unterlagen dem Archiv der Hochschule zugeführt worden sind.

Im kollektiven Gedächtnis des Chores spielen die Reisen nach Frankreich, Belgien und die Niederlande eine besondere Rolle. Sieben Jahre nach Kriegsende war es durchaus ein Wagnis, in Länder zu reisen, die noch nicht allzu langer Zeit von Deutschen besetzt waren.

Fröhlicher Start nach Paris

Sing-Akademie mit sieben Autobussen auf Frankreich-Tournee

Am Donnerstag, 20.35 Uhr, setzte sich die imposante, aus einem kleineren und sechs großen Omnibussen der Firma Niebäumer (Bad Salzuflen) bestehende Wagenkolonne von der Allee in Detmold in Bewegung, die den Chor der Detmolder Singakademie, das verstärkte Kammerochester der Nordwestdeutschen Musik-Akademie, die Solisten und einige Gäste - insgesamt etwa 260 Personen - nach Paris bringt, wo am Sonntagabend im Saale des Champs-Elysées das "Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach zur Aufführung gebracht werden wird.

 

Nach der nächtlichen Fahrt mit den sieben bequemen und von zuverlässigen Fahrern gesteuerten Omnibussen Niebäumer (Bad Salzuflen, die zunächst nach Köln und über Koblenz das Moseltal aufwärts an die französische Grenzstation Vechy führte, gab es bei anbrechender Morgendämmerung die ersten Versuche, die seit der Schulzeit bei den meisten etwas mangelhaft gewordenen französischen Sprachkenntnisse wieder aufzufrischen;

aber ehe man es sich versah, war die Grenzkontrolle erreicht.

Über Metz, wo die Kathedrale besichtigt und zum ersten Male in einem französischen Café gerastet wurde, ging es weiter über Verdun nach Paris. Es war nämlich inzwischen fast Mitternacht geworden, als die Detmolder Autobusse an Madeleine und Opéra vorbei in Paris einrollten. An der Place de la Bourse spielten sich erheiternde Szenen ab, als die Quartiereinteilung bei strömendem Regen erfolgte. Immerhin aber waren doch bald alle in den vorhandenen Privat- und Hotel-Unterkünften verstaut; die jugendlichen Mitglieder fanden in einem Studentenheim Aufnahme. Allgemein wurde festgestellt: "Sie können improvisieren, und zwar mit Scharm - die Franzosen!".

Der nächste Tag - der Sonnabend - war ernster Arbeit gewidmet. Nachdem die ersten Nachmittagsstunden jedem einzelnen gehörten, Gruppen sich vor dem Arc de Triumph, am Ehrenmal der Kathedrale von Notre Dame oder auf der Prachtstraße der Champs-Elysées trafen, fanden sich Chor und Orchester um 18 Uhr zur Schallplattenaufnahme im Apollo-Theater, wo das ungekürzte "Weihnachtsoratorium" in mehr als sechsstündiger intensiver Arbeit, die der vorausgegangenen Reisestrapazen auf der Höhe ihres Könnens zeigte, von der internationalen Schallplattenfirma „L'oiseau Lyre" auf Schallplatten aufgenommen wurde.

Nur die vitale Persönlichkeit von Prof. Kurt Thomas vermochte es den von den Reisestrapazen stark ermüdeten Chor zu jener Leistung, teils in unermüdlichen Wiederholungen hinzureißen (...).

Der letzte Tag des Jahres stand jedem zur freien Verfügung, einige besichtigten Versailles mit dem berühmten Schloss (...) und am Abend gestalteten sich die einzelnen Gruppen ihre Silvesterfeier so, wie es jedem zusagte. Nach wenig Schlaf wurde am nächsten Vormittag bei strahlendem Sonnenschein die Rückreise angetreten, bei der zunächst in Reims Station gemacht und die Kathedrale besichtigt wurde und in den Abendstunden hatten die Fahrtteilnehmer noch das Erlebnis der strahlend illuminierten Stadt Brüssel (...) Über Aachen und Düsseldorf ging es heimwärts. Auch auf dieser Rückfahrt erwies es sich wieder, wie ausgezeichnet die Gemeinschaft aller Teilnehmer war, die denn auch bei ihrer Rückkehr voll des Lobes über die Eindrücke und von der Hoffnung beseelt waren, daß die erste Auslandstournee nicht die letzte gewesen sein wird.