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Die Verbindung von Oratorienchor und Musikakademie

Die bis heute bestehende Verbindung des Oratorienchors mit der Hochschule für Musik wird am 19. September 1959 mit einem Kooperationsvertrag zwischen den beiden Institutionen geregelt. Der Chor, der bereits seit 1947 von Lehrenden der Akademie geleitet und in der Öffentlichkeit als "Akademiechor" wahrgenommen wurde, wird nun in den "Großen Chor" der Nordwestdeutschen Musikakademie eingegliedert. Hier lauten die beiden ersten Punkte:

1. Die aktiven Mitglieder des Detmolder Oratorienchors e. V. werden vom 15. Oktober 1959 ab im großen Chor der Nordwestdeutschen Musikakademie in Detmold mitwirken.

2. Der Detmolder Oratorienchor e. V. wird deshalb von diesem Zeitpunkt ab keine eigenen Konzerte mehr veranstalten. Er verpflichtet sich, seine Satzung bis zum 31. Dezember 1959 vertragsgemäß zu ändern.«

Weiterhin wird dem Leiter des Akademiechors das Recht eingeräumt, die Chormitglieder einer Eignungsprüfung zu unterziehen und für deren Mitwirkung in Konzerten den Besuch einer Mindestanzahl von Proben zu verlangen.

Was sind die Hintergründe für die Kooperation? Offenbar ist der Oratorienchor Ende der 1950er Jahre in eine Krise geraten. Dies lässt zumindest das Protokoll der Vorstandssitzung vom 12.03.1959 vermuten. Hier wird beklagt, dass die Anzahl der Mitglieder in Chor und Verein "rapide abgenommen« habe und auch die "Probenbeteiligung dauernd nachlässt". der Grund könne zu allzu moderne Ausrichtung der Programme sein: "Von verschiedenen Mitgliedern wird darauf hingewiesen, die Programmgestaltung nicht überwiegend modern zu fassen, da Detmold und sein Konzertpublikum konservativ und wir eben einmal auf volle Kirchen und Säle angewiesen sind". 

Der Vorschlag "einer Verschmelzung des Oratorienchores mit der Musik-Akademie" wird zunächst kontrovers diskutiert. Einige Mitglieder wollen die Selbstständigkeit des Chores nicht aufgeben und befürchten ein "Überrolltwerden durch die Akademie". Das Schreiben von Martin Stephani, Chorleiter und zugleich Direktor der Musikakademie, an den Vorsitzenden des Vereins Oratorienchor e. V., Heinz Zürcher, vom 02.10.1959, trägt nicht unbedingt zur Beruhigung bei. Stephani gibt hier seiner Freude Ausdruck, dass der Verein in Zukunft "als Gast im Grossen Chor des Akademie« mitwirken wird. Das Wort "Gast" fällt ein weiteres Mal, wenn Stephani die Vorteile der Verbindung für beide Seiten betont: Die Musikakademie könne "mit Hilfe ihrer von ungewöhnlichem Idealismus beseelten Gastsänger [!] aus Stadt und Land nunmehr die Grosswerke der Oratorienliteratur in entsprechender Weise […] realisieren", während sich der Oratorienchor von dem "nachgerade unerträglich gewordenen finanziellen Risiko des bisherigen Veranstaltungsträgers befreit und also von merkantilen Erwägungen endlich entlastete Musiziergemeinschaft mit rein künstlerischer Zielsetzung fühlen" dürfe. 



Das Verhältnis zwischen dem Chor und Stephani ist in der weiteren Geschichte des Chores jedoch durchaus partnerschaftlich und freundschaftlich. Aus dem Jahr 1966 ist beispielsweise ein Brief Stephanis an den Chor erhalten. Hier dankt Stephani dem Chor für die Mitwirkung im zurückliegenden Konzert und schließt mit der Hoffnung, dass die Mitglieder »zu neuen Taten neuen Mut verspüren und es an keinem Donnerstag aushalten können ohne / Ihren dankbar ergebenen, / Sie allerseits herzlich grüssenden / Martin Stephani / Akkordarbeiter«.

Im Mai 1983 kommt aus den Reihen des Chors der Vorschlag, Stephani den Kulturpreis des Landesverbands Lippe vorzuschlagen. In der Begründung wird die Verbindung von Laienchor und Hochschule als Erfolgsmodell herausgestellt und betont, dass »lippische Bürger (unsere Mitglieder kommen nicht nur aus Detmold, sondern auch aus Lemgo, Lage, Horn) in einmaliger Weise in die Hochschule integriert worden sind und dadurch Gelegenheit  zu einer musikalischen Beteiligung erhalten haben, die sonst Laien an einer Musikhochschule nirgends geboten wird.«